Auf dem Wasser - im Wasser Die Insel in der Mur Plaza für das neue Millennium Was passiert, wenn einer der raffiniertesten und talentiertesten Künstler der Welt ein außergewöhnliches Projekt für eine Stadt wie Graz entwerfen soll? Ein Objekt der Kunst und der Architektur gleichermaßen, das unverwechselbar sein soll und noch nie da gewesen? Schon zu Beginn der Planungen für die Kulturhauptstadt bestand die Idee, die Mur - auch im Zug der Ufergestaltung - vermehrt in das Leben der Stadt zu integrieren. Den Fluss, der die Stadt einerseits teilt, andererseits auch wieder verbindet, das kleine, schnelle Wasser, das ununterbrochen davonläuft und doch da bleibt. Der Künstler begibt sich erst einmal auf die Suche nach einem neuen, ganz außergewöhnlichen Bauplatz. Er dreht die Dinge um, stellt sie auf den Kopf, sucht nach neuen Perspektiven und Formen.
Nach einer Idee des gebürtigen Grazers Robert Punkenhofer/Art & Idea implantierte der Künstler genau hier ein modernes Gelenk zwischen dieses ungebändigte Stück Natur und das gewachsene städtische Gefüge, eines, das den Blick zu anderen Sichtweisen erzieht und den Schritt über bisher unbegehbares Terrain lenkt. Mit anderen Worten: Vito Acconci, der New Yorker Künstler und Designer, der sich in den letzten Jahren verstärkt architektonischen Projekten widmet, setzte eine Insel in die Mur.
Acconci wäre nicht Acconci, hätte er einfach ein Floß in den Fluss zwischen Altstadt und Mariahilferplatz gehängt, eine simple Aussichtsplattform an ungewöhnlicher Stelle. Seine Insel ist vielmehr ein organisch in sich verwundenes Konstrukt, das er aus verschiedenen ineinander übergehenden Muschelflächen sorgfältig komponiert und zu einer markanten "Landmark" am Wasser gemacht hat. Jedem Teil, ob geöffnet oder geschlossen, sind je nach spezifischem räumlichem Temperament entsprechende Funktionen zugeteilt. So entstand ein Café, ein Amphitheater, ein Kinderspielplatz - also alles in allem eine kleine, halb isolierte Zelle städtischer Kultur an einem Ort, der nie Stadt war, der aber über Stege jederzeit von der Stadt aus betreten werden kann, und der nun zu einem kleinen Mittelpunkt des Geschehens geworden ist.
In der Muschelform liegt ein Amphitheater. Unter einem rundlichen "Dom", wie ihn der Künstler nennt, befindet sich ein vom Grazer Traditionsunternehmen Sorger betriebenes Café, für dessen Gestaltung Acconci Studio und die Grazer Architektenformation purpur verantwortlich zeichnen. In der Verdrehung zwischen diesen beiden Formen entsteht eine phantastische kleine Landschaft, in der Kinder spielen können. Acconci lässt die Innen- und Außenräume gekonnt ineinander fließen, so wie die Wasser der Mur daneben und darunter ununterbrochen ineinander rinnen. Die Murinsel wird so zu einem Gekräusel aus Ideen und Formen, aus Funktionen und Inhalten. "Wir wollten etwas entwerfen, das sich markant in zwei Zonen teilt, und diese sollten flüssig ineinander laufen", erklärte der amerikanische Grenzgänger zwischen Architektur und Kunst sein Anliegen für Graz 2003: "Wenn Leute im Theater sitzen, sehen sie den Spielplatz als Hintergrundelement, wenn sie sich im Café befinden, schützt sie der Playground als Teil des Daches des Cafés. Diese verschiedenen Funktionen dürfen nicht radikal voneinander getrennt sein, denn das Wasser rund um diese Insel fließt und bewegt sich ständig, und wir wollten etwas konstruieren, das ebenfalls flüssig und veränderlich ist."
Was die Insel so aufregend macht, ist nicht nur ihr Innen-Außen-Leben, sondern sind auch die neuen Sichtbezüge auf die Stadt Graz, die sie BesucherInnen und StadtbewohnerInnen gleichermaßen zu bieten hat. Die Perspektiven verschieben sich, Altbekanntes darf neu betrachtet werden. Damit das auch möglichst gut funktioniert, spielt Acconci mit den Materialien: Edelstahl wird so geformt, dass sich die Grazer Hügellandschaft darin widerspiegelt, durch Gucklöcher, Nirosta-Gitter und verglaste Fenster blitzt sie bis in die geschützteren Bereiche der künstlichen Insel hinein. Was die Konstruktion anbelangt, so handelt es sich um ein Stahlskelett, das mit Glas, Edelstahl und Gittern gefüllt wurde. Die Stege, die die Insel mit den Ufern verbindet, sind ebenfalls als Stahlkonstruktionen ausgeführt, Asphalt sorgt für einen rutschfreien Belag, der im Winter sogar durch Beheizung enteist werden kann. Vito Acconci stellt stets die Menschen in das Zentrum seiner Arbeiten - den Besucher/die Besucherin, den Spaziergänger/die Spaziergängerin, den scheinbar unbeteiligten Passanten/die scheinbar unbeteiligte Passantin, der/die plötzlich ins Geschehen hineingezogen wird. So ist auch seine Insel für Graz zu sehen: als ein großes Spiel der Formen und Elemente und der Kommunikation in der Isolation. Es ist eine aufregende, lebendige und lustvolle Plaza für das neue Millennium, auf der sich Leute treffen und diskutieren, spielen und tanzen oder auch sinnieren und sich entspannen können, und zwar am Wasser, auf dem Wasser und im Wasser.
Design und architektonische Gestaltung: VITO ACCONCI/ACCONCI STUDIO. Idee und kuratorische Entwicklung: ROBERT PUNKENHOFER/ART & IDEA
Café "Insel": gestaltet von Acconci Studio und purpur (Beschreibung als pdf)
Presseaussendung zur Eröffnung
DIE INSEL IN DER MUR - CHRONOLOGIE UND ZEITPLAN
29. Juli 1999 | Projekteinreichung durch Art & Idea (Robert Punkenhofer) |
24.-26. Oktober 1999 | Erster Besuch von Acconci und Punkenhofer in Graz |
08. September 2000 | Präsentation des 1. Modells: im Büro 2003 durch Acconci für für VertreterInnen von Stadt Graz und Land Steiermark |
Dezember 2000 | Redesign der Murinsel |
02. April 2001 | Präsentation der Murinsel vor der erweiterten Stadtregierung |
10. Mai 2001 | Präsentation der Murinsel vor dem Gemeinderat mit Acconci |
25. September 2001 | Wasserrechtliche Einreichung |
31. Oktober 2001 | Schifffahrtsrechtliche Einreichung |
15. November 2001 bis 31. Jänner 2002 | Ausschreibung der Errichtung der Murinsel |
März 2002 | Vergabe des Bauauftrages für die Murinsel |
März bis Juni 2002 | Sohle, Böschung, Trockendock, Mureinbauten, Unterbau Zugänge |
April bis August 2002 | Fertigung der Murinsel |
April bis Oktober 2002 | Bau der Zugänge im Uferbereich |
Mai bis Oktober 2002 | Antransport, Montage und Anstrich der Insel im Trockendock |
November 2002 | Einschwimmen der Insel zur Murmitte |
November bis Dezember 2002
Dezember 2002 | Montage der Zugänge zur Murinsel, Finalarbeiten
Präsentation im Österreichischen Kulturforum in New York |
Jänner 2003
März 2003
März 2004 | Eröffnung der Murinsel
Eröffnung Café Insel
Fertigstellung Kinderspielplatz |
Ein Projekt von Graz 2003 - Kulturhauptstadt Europas. |